Meine ersten Monate mit MS

meine ersten schritte mit ms

So, den schwersten Part hab ich nun hinter mir – dachte ich damals wirklich. Ich habe mich doch für eine Basistherapie entschieden, habe schon Kortison bekommen. Die ersten Nebenwirkungen habe ich auch schon erlebt und hinter mir – jetzt vergehen die ganzen Symptome doch von ganz alleine. 
Doch ganz so einfach ist das alles leider nicht. Meine Schwindelanfälle und das Stechen im Kopf waren weg – ja. Aber die anderen Symptome, wie: Wortfindungsprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten, Hautempfindlichkeit, Blasenschwäche , eine teilweise taube linke Körperhälfte und vor allem aber Gleichgewichtsprobleme verschwanden nicht einfach so.

Mein Irrglaube war: sobald ich die Tabletten zu mir nehme, verschwindet alles. HAHA – war wohl nichts.

In den ersten Tagen fand ich die Flushs die ich durch die Einnahme bekam, halb so schlimm. Diese waren aber auch gerade mein geringstes Problem. Die Gleichgewichtsprobleme machten mir am meisten zu schaffen. Deswegen wurde mir von meiner Neurologin empfohlen, eine Physiotherapie und eine Ergotherapie aufzusuchen. Die ersten Tage nach der Diagnose waren also von mehreren Therapien gezeichnet. Für mich hieß es nun: 4x die Woche in die Physiotherapie und 3x die Woche in die Ergotherapie.
Zu meinem Glück hatte ich vom ersten Tag an super Therapeuten. Alle waren verständnisvoll aber auch sehr streng.
In der Physio stellten sie mich sofort auf ein Laufband, um wieder richtig Gehen zu lernen. Das war am Anfang der absolute Horror. Mein linkes Bein hing die ganze Zeit hinterher. Erst da bemerkte ich so richtig, dass ich meinen Körper nicht mehr wirklich unter Kontrolle hatte. An ein freies Gehen, ohne sich am Laufband festzuhalten, war nicht zu denken.

Nach den ersten zwei Therapiestunden war meine Anfangseuphorie – alles wird wieder gut – wie vom Winde verweht.

Für mich war es erschreckend zu erkennen wie stark die Probleme wirklich sind. Mein Gemütszustand veränderte sich schlagartig, da es in der Ergotherapie nicht besser wurde. Mein erster Therapietag ging drei Stunden. 90 Minuten Physio- und dann 90 Minuten Ergotherapie, in der wir Gleichgewichtsübungen machten. Ich sollte versuchen mit geschlossenen Augen auf beiden Beinen zu stehen. Danach mit offenen Augen auf einem Bein. KEINE Übung hat geklappt. Der Frust wurde nach diesen Erlebnissen immer größer.
Nachts als ich im Bett lag, war ich einfach nur noch traurig, wütend, voller Zweifel und ich hatte das erste Mal so richtig Angst. Angst vor der Zukunft. Was passiert mit meinem Job? Wie sollen wir unsere Rechnungen bezahlen? Werde ich echt nie wieder richtig Laufen können? Was ist mit Familienplanung? Kann ich jemals wieder richtig am Leben teilnehmen können? All diese Fragen schwirrten Nachts in meinem Kopf. An einen ruhigen Schlaf war da nicht zu denken. Mit diesen Gedanken begann für mich persönlich der schwerste und anstrengendste Kampf. Der Kampf gegen all die Ängste durch die MultipleSklerose. 
Am nächsten Morgen ging es wieder zur Therapie. Wieder das gleiche Programm. Es war mega anstrengend. Mir tat auch alles Weh. Es fühlte sich an, als würde jeder einzelne Muskel in mein Körper kurz vor einem Krampf sein. Natürlich bemerkten meine Therapeuten meine Niedergeschlagenheit. Doch sie packten mich nicht in Watte und motivierten mich meine Übungen durchzuziehen – zum Glück!

Wie ging es mir in der Zeit? Es war die Hölle!!! Ich war öfter kurz davor einfach aufzugeben und alles hinzuschmeißen. Mein ganzer Körper schmerzte und meine Ängste ließen mich nicht schlafen.

Ich mein das wirklich ernst – ich weiß nicht wo ich ohne meine Therapeuten, die immer für mich ein offenes Ohr haben, meine Freunde, meine Familie und meiner Freundin – heute stehen würde. Mein ganzes Umfeld war für mich da und unterstütze mich. Das ist in der Zeit das größte Geschenk gewesen. Weil alle um mich herum positiv waren und gelacht haben. Keiner bemitleidete mich. Jeder einzelne zeigte mir, durch die positive Art, wie schön das Leben ist. Und das Beste was mir passieren konnte: Alle um mich herum achteten darauf, dass ich weiter aktiv am Leben teilnahm. In den ersten Monaten nach der Diagnose war ich z.B. im Dortmunder Fußballstadion und bei einer Comedyshow von Teddy. Wir reisten aber auch. Mit meiner Freundin waren wir in einer Erholungsanlage in Österreich, mit Freunden in Portugal und auf einem Junggesellenabschied in München. Es war nicht wichtig wie ich nach der Kortisontherapie aussah, oder wie schlecht mein Gang war. Alle um mich herum achteten sehr auf mich und unterstützen mich wo es ging. Solche Ausflüge waren immer ein Geschenk für die Seele und die Lachmuskeln 🙂 

Doch zurück zu meinem Alltag.
In den ersten Therapiemonaten war es immer das gleiche: Montag bis Freitag, erst Physiotherapie, dann Ergotherapie. Jeden Tag mindestens drei Stunden. Zusätzlich begann ich einige Bücher zu lesen. Das Buch das mir am meisten die Augen öffnete und mich bis heute prägt, ist das Buch: The Big Five For Life von John Strelecky und der dazugehörige YouTube-Clip. 
In den ersten Monaten lernte ich: Man darf gegen die MS nicht kämpfen – man muss lernen, sie zu akzeptieren und sie als Teil seines Lebens zu sehen, genauso wie die dazugehörigen Therapien.

Vor allem dankbar zu sein! Für jeden Tag.

Und sich nicht die Frage zu stellen – warum habe ICH diese MS bekommen und in Selbstmitleid zu verfallen, sondern es umzudrehen und sich die Frage zu stellen: Was kann ich daraus lernen und tolles machen? 

Natürlich gab es mehrere Tage an denen man keine Lust mehr hatte. Tage an denen man einfach im Bett liegen bleiben möchte und hofft, dass alles bald ein Ende hat. Kurz davor ist aufzugeben. Tage an denen man vor Verzweiflung kein Lächeln über die Lippen bekommen hat. Doch diese Gedanken dürfen niemals gewinnen. Für mich, ist es eine Lebensaufgabe dankbar für Kleinigkeiten zu sein und immer das Positive zu sehen – egal wie schwer die aktuelle Situation gerade ist. Ich habe es relativ schnell geschafft, mich auf das Gute zu konzentrieren und mich an diesen Momenten festzuklammern und neuen Mut zu schöpfen 🙂
Und siehe da: nach elf Monaten harter Arbeit und vielen Schmerzen war der Fortschritt für mich persönlich unbeschreiblich. Nach all den Gehproblemen und Schwierigkeiten konnte ich wieder durch eine Koordinationsleiter hüpfen und sogar mehrere Minuten joggen! Ein wundervolles Gefühl. Ein Moment voller Glück und Freude. Das Video kannst du gerne auf meine Instagram oder Facebook-Account sehen 🙂 

Nach den Prognosen der Ärzte, wäre dies ja niemals möglich gewesen. Da sieht man mal, was alles möglich ist wenn man nicht aufgibt und die richtigen Menschen an seiner Seite hat.

Im nächsten Blog-Beitrag werde ich ein bisschen tiefer auf die Ängste eingehen und welche Hilfsmittel mir bis heute helfen positiv zu sein und sich jeden Tag aufs Neue über das Leben zu freuen 

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