Ängste mit MS

Ängste – eigentlich ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Doch ich sag es dir wie es ist: Ich hatte sehr starke Ängste und schlimme Albträume. Und habe sie heute, fast drei Jahre nach der Diagnose, ab und zu immer noch. Doch ich habe gelernt, den Ängsten den Kampf anzusagen. Ich bin froh, dass es nur noch ganz wenige Tage gibt, an denen die Ängste gewinnen und mich nicht schlafen lassen. Es war aber ein schwerer und anstrengender Weg sich da herauszuziehen.

Am Anfang war es als würde man mir den Boden unter den Füßen wegreißen und ich im freien Fall wäre. Im Alltag hielt sich alles in Grenzen. Ich musste in viele Therapien und hatte oft Besuch von tollen Menschen. Somit wurde ich super abgelenkt. Doch dann kam irgendwann die Zeit der Ruhe. Die Zeit in der kein Besuch mehr da war, die Nacht eintrat und meine Freundin schlief. Die Nacht war zu diesem Zeitpunkt mein schlimmster Feind. Meine negativen Gedanken fingen kurz vorm Einschlafen immer an, die Überhand zu gewinnen. 

Was passiert, wenn die ganzen Symptome für immer bleiben? Wie soll ich jemals wieder arbeiten? Wie soll ich meine Wohnung und andere Rechnung bezahlen? Wird meine Freundin mich jetzt verlassen? Werd ich jemals wieder mit meinen Freunden draußen Zeit verbringen können? Werde ich ab jetzt jeden Tag auf Hilfe angewiesen sein? Werde ich jemals meinen großen Traum – Kinder zu haben – erfüllen können? Hunderte von solchen Gedanken schossen jeden Abend in meinen Kopf. An schlafen war da nicht zu denken. Herzrasen, Schweißausbrüche und Übelkeit waren die Begleiterscheinungen meiner Ängste. Hört sich nicht gerade angenehm an. War es auch nicht. Doch diese Gedanken und die Begleiterscheinungen waren mir lieber als meine Albträume. Ich war in einem kleinen Teufelskreis. Ich wusste ich brauche schlaf, sonst ist der nächste Tag völlig für dein Eimer, aber ich hatte panische Angst einzuschlafen.

Warum? Weil ich fast zwei Monate lang immer den selben Traum hatte. Meinen schlimmsten Albtraum. In diesem Traum kamen meine Familie und meine Freunde zu mir ins Krankenhaus. Sie versammelten sich um mein Bett und jeder einzelne von ihnen, erzählte mir seine Lieblingsmomente die wir gemeinsam erlebt hatten und verabschiedete sich mit sehr emotionalen Worten von mir. Alle Menschen die mir Nahe stehen waren in diesem Traum vorhanden. Es fühlte sich an, als würde ich auf dem Sterbebett liegen. Es war alles so real, dass ich fast jeden morgen weinend und schweißgebadet vor Angst aufgewacht bin. Ich dachte zu dem Zeitpunkt, dass ich eigentlich ein positiv eingestellter junger Mann bin. Ich bemerkte jedoch, dass ich ein komplett emotionales Wrack war. Durch diese extrem anstrengenden Nächte, war ich tagsüber natürlich nicht gerade der fröhlichste Mensch, doch wie ich gerade gesagt habe, hat der Alltag, mich die Nächte für ein paar Stunden vergessen lassen. 

Ich traute mich zunächst nicht mit jemanden darüber zu sprechen. Mein Gedanke war: der Schock der Diagnose und die Symptome sind für meine Familie schon so schwer genug zu verkraften, ich kann jetzt nicht nochmal Schwäche zeigen und erzählen was Nachts alles so in meinem Kopf vorgeht.

Doch irgendwann war es einfach zu viel. Ich war an einem Nachmittag mal ganz alleine zu Hause und was passierte? Ein Schrei aus Verzweiflung und Angst kam aus mir heraus. Ich fing an zu weinen. So stark, dass die Augen einfach nicht aufhören wollten zu tränen. Die Tränen flossen gute 30 Minuten. Doch danach fühlte ich mich befreit. All die nicht ausgesprochenen Ängste lösten sich in mir. In dieser Nacht fiel mir das erste mal auf, wie der Albtraum überhaupt endete. Ich schaute aus dem Fenster aus meinem Krankenhauszimmer und der Himmel verfärbte sich komplett lila. Ein wundervoller Anblick. Mit diesem Bild wachte ich auf. Zwar immer noch mit Herzrasen, aber ich weinte nicht mehr als ich meine Augen öffnete. Der Albtraum war immer noch da, aber das Ende war für mich, wie ein Licht am Ende des Tunnels. Dieses Ende mit dem wunderschönen lila verfärbten Himmel gab mir Hoffnung und die Kraft mich zu öffnen und meine Ängste auszusprechen. Seit dieser Zeit, schreibe ich auch fast jeden Tag in mein Dankbarkeitsbuch. Jeden morgen wenn ich aufwache schreibe ich mir drei Punkte auf, für die ich dankbar bin. Abends mache ich das gleiche. Bevor ich schlafen gehe, schreibe ich mir drei positive Punkte auf für die ich dankbar bin, die an diesem Tag passiert sind. Somit gehe ich Abends mit positiven Gedanken ins Bett und starte den Tag mit positiven Gedanken. Ich bin ehrlich: Am Anfang fühlt es sich komisch an, sich die Sachen aufzuschreiben. Der schöne Effekt ist aber, ich habe kaum Albträume mehr und ich habe es geschafft mich im Alltag auf das positive zu fokussieren.

Übrigens: Das Ende meines Traums, ist auch der Grund warum mein Blog lilatraeume heißt.

Wie fasst man das Thema Ängste am besten zusammen? Hatte ich einen Nervenzusammenbruch? Ja. Habe ich geweint vor Angst und Wut? Ja. Habe ich heute noch Ängste? Ja, aber sehr selten. Warum? Weil ich einen Weg für mich gefunden habe, mich auf das positive zu fokussieren und wirklich dankbar für Kleinigkeiten bin. Ich erfreue mich über mein Leben und bin jeden Tag froh, dass ich die Möglichkeit habe, Zeit mit wundervollen Menschen verbringen zu dürfen. Außerdem habe ich mir bewusst gemacht, dass es so viele Menschen auf dieser Welt gibt, denen es viel schlechter geht als mir. Seitdem lebe ich bewusster und kann viele Momente viel mehr Wertschätzen. 

Jeder von uns, wird in seinem Leben Ängste haben. Die einen mehr, die anderen weniger. Unsere Lebensaufgabe ist es, die Ängste nicht gewinnen zu lassen. Ist aber nur meine Meinung 😉 Denn denk an mein Motto:

Wir leben jeden Tag und sterben nur einmal.

Wir haben jeden Tag die Möglichkeit ihn positiv zu gestalten. Es wird uns nicht immer gelingen, dass ist klar und menschlich. Aber wir können alles dafür geben, dass die meisten Tage uns mit tollen Momenten in Erinnerung bleiben :). Und du wirst es auch schaffen ! Nur nicht aufgeben!

2 Kommentare bei „Ängste mit MS“

  1. Hallo Mathias,
    mir gefällt, dass du so offen und ehrlich über deine Ängste schreibst.
    Ja, MS ist eine Sch… Krankheit und ja, es gibt genug Gründe, Angst vor dem zu haben, was die Zukunft mit MS so für einen bereit halten könnte.
    Ich bin seit 3 Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen und das Leben geht trotzdem weiter. Anders zwar, aber es geht weiter.
    Wenn du Lust hast, besuche mich doch mal auf meiner Seite.
    Liebe Grüße
    Anna

    1. Hallo Anna, danke für deine Worte. Toll wie du damit umgehst und weiterhin positiv bleibst. Behalte es dir bei. Ich wünsche dir viel Energie für den weiteren Weg! Und denke daran: Gebe niemals auf.
      Liebe Grüße Matze

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