Ein halbes Jahr vor der Diagnose spürte ich ein leichtes Kribbeln in meinen Beinen. Durch die schon erwähnten Knieoperationen (Über Mich) dachte ich natürlich, dass es damit zusammenhängen könnte. Bestimmt irgendwas vom Rücken, oder ein eingeklemmter Nerv. Selbstdiagnosen zu erstellen, ja darin bin ich super, dachte ich zumindestens. Nach so vielen OP´s kenne ich doch meinen Körper, also geht das bald wieder weg. Es ging eben nicht weg. Am nächsten Tag wurde das Kribbeln in den Beinen, primär an den Fußsohlen, immer stärker und ich bemerkte leichte Empfindungsstörungen an meinem linken Schienbein.
Nachts in die Notaufnahme fahren? Kommt eigentlich für mich nicht in Frage. Nach zehn Operationen und gefühlt tausenden Stunden im Wartebereich, Arztgesprächen und Schmerzen, habe ich eine abgrundtiefe Abneigung gegen Krankenhäuser. Alleine der Krankenhausgeruch bringt mich zur Weißglut.Doch in dieser Nacht war das Kribbeln so unangenehm und ungewohnt, dass ich meinen besten Kumpel anrief und er mich in die Notfallambulanz fuhr. „Warum willst du dahin?“, war seine Frage.
„Meine Beine kribbeln mega, ist voll komisch. Ich denk, dass kommt von den Op´s. Es muss irgendwas am Rücken sein. Hoffentlich kein Bandscheibenvorfall“, antwortete ich. Nach der provisorischen Arztuntersuchung und einer Blutabnahme, durfte ich nach zwei Stunden die Ambulanz wieder verlassen, da das Kribbeln kaum noch spürbar war und ich mich uneingeschränkt und schmerzfrei bewegen konnte. Also kein Bandscheibenvorfall. Ab ins Bett. Als ich dann am nächsten morgen wach wurde, war alles wie immer. Kein Kribbeln mehr, keine Empfindungsstörungen. Also dachte ich gar nicht mehr an die Symptome, sondern beruhte mich auf meine Selbstdiagnose, dass da kurzzeitig ein Nerv eingeklemmt war.
In den nächsten vier Monaten hatte ich immer wieder kleinere Beschwerden, die ich aber nicht wirklich nachverfolgte. Während eines Städtetrips, den ich mit zwei Freunden machte, kam aber ein neues Symptom auf. Ich wurde innerhalb von wenigen Sekunden todmüde. Als hätte mir jemand meinen Energie Stecker gezogen. Es fühlte sich an, als ob mir jemand im Kopf einen Schalter umlegen würde. So eine Trägheit und Müdigkeit erlebte ich bis dato nicht. Zu Fuß durch Venedig und Mailand, schlauchte enorm an meinen Kräften, aber ich machte alles mit und ließ mir möglichst wenig anmerken. Warum ich nie etwas sagte? Ich konnte es einfach nicht benennen was los war. Ich wusste nicht ob es normal ist, dass man nach so einer Stadtbesichtigung derart Müde ist und die komplette Muskulatur sich wie nach einem Marathon anfühlt, oder ob wirklich etwas nicht stimmt. Da meine Kumpels nicht den Anschein machten wirklich angestrengt zu sein, wollte ich auch nicht als „Memme“ abgestempelt werden. So vergingen die nächsten Monate, in denen immer mal wieder paar Symptome in geringer Form auftraten. Die konnte ich aber bis dahin gut und erfolgreich verdrängen.
Bis kurz vor Weihnachten. Auf dem Weg in mein Büro hatte ich während der Autofahrt plötzlich ein Stechen im Kopf wahrgenommen. Zwei kleine Stiche, als hätte mir grad jemand eine Akupunkturnadel in den Kopf gesetzt und dann, einen sehr starken Stich. Als ob jemand einen Hammer gegen meinem Kopf gehauen hätte. Nach kurzem durchschnaufen und Augen zusammenkneifen ging es wieder. Als ich mein Büro betrat, bekam ich einen kleinen Schwindelanfall. Es drehte sich auf einmal alles. Wieder kurz die Augen zugedrückt und nach zehn Sekunden war es auch wieder weg. Klar, gestern wahrscheinlich zu wenig getrunken und zu wenig geschlafen. Vielleicht auch bisschen zu viel Stress die Tage gehabt. Also schnell zum Kühlschrank, erstmal ordentlich Wasser trinken und sich kurz hinsetzen und die Augen schließen.
Nach einer kurzen Zeit der Ruhe, vergingen auch diese Symptome. Ich verfolgte sie natürlich nicht. Warum auch? Am Wochenende war ich feiern, hab wenig geschlafen und zu wenig Wasser getrunken. Mit meinen 26Jahren bin ich halt auch nicht mehr der jüngste (haha) dachte ich mir. Rückblickend kann ich dir aber sagen, dass meine ersten Symptome immer wieder versteckt im Alltag auftraten, ich aber alles auf die Operationen, mein Gewicht und wenig Schlaf geschoben habe. Oder sie nicht wahrhaben wollte und sie erfolgreich verdrängte.
Der Wendepunkt im Umgang mit meinen Symptomen kam dann aber sehr schnell.
Zwischen Weihnachten und Neujahr war ich mit Freunden zum Fußballspielen in einer Halle verabredet. Für ein gemütliches Fußballspiel mit Freunden war ich immer zu haben. Das ging auch mit meinen Knien. Eigentlich. Doch an diesem Abend war alles anders. Schon bei meinem ersten Ballkontakt merkte ich, dass heute irgendetwas nicht stimmt. Ich spürte den Ball nicht an meinem Fuß. Ich trat gegen den Ball und spürte einfach gar nichts. Hab ich den Ball jetzt gepasst? Das gibt’s doch gar nicht! Und dann der Moment der mich aufweckte : Ich wollte grad zum Ball laufen, plötzlich fiel ich einfach hin und lag da, wie ein kleines Baby auf dem Kunstrasen. Bin ich grad gestolpert? Was war das? Meine Freunde konnten vor lachen nicht mehr.“Junge, was ist los mit dir? Kannste nicht mal mehr laufen? Bist du noch besoffen vom Wochenende?“ Zuerst lachte ich mit, da es bestimmt verdammt lustig ausgesehen hatte. Doch nach kurzer Zeit, spürte ich immer mehr das mein Körper meinen Anweisungen nicht folgte.
Es fühlte sich an, als würde jemand meinen Körper übernehmen und ihn selbst steuern.
Da ich mir nichts anmerken lassen wollte, spazierte ich im Schneckentempo vom Platz. Ich sagte meinen Freunden, dass meine Knie heute extrem weh tun und ich leider nicht weiter machen kann. In der Umkleidekabine haben wir an dem Abend noch Witze über meinen „Abgang“ gemacht und ordentlich gelacht. Ich habe auch noch gelacht. Bis ich nach Hause kam. Plötzlich war das Stechen im Kopf und der Schwindel wieder da. Mein linkes Bein kribbelte ohne Ende, meine linke Hand ebenso. Ich hatte große Probleme mich mit meiner Freudin zu verständigen, da mir andauernd Wörter nicht einfallen wollten. „WOW!“ dachte ich mir, was passiert da gerade? Um meine Freundin und mich selbst nicht zu beunruhigen, sagte ich zunächst nichts und wollte ein paar Tage abwarten, in der Hoffnung, dass es nur eine kurze Phase ist. Doch in dieser Nacht bekam ich kein Auge zu. Mich überkamen vor Verzweiflung und Wut sogar die Tränen. In dieser Nacht war ich auf alles sauer. Dieser Sturz in der Halle, dieses Gefühl nicht mehr über seinen eigenen Körper zu herrschen. Das setzte mir gerade richtig zu. Dazu kamen auch noch heftige Rückenschmerzen. Ich, der eigentlich immer positiv denkt, lag im Bett, war verzweifelt und weinte. Ich wartete die ganze Nacht bis der Wecker klingelte und meine Freundin aufwachte. Bevor sie in die Arbeit ging, erzählte ich ihr was gerade in meinem Körper vorgeht. Da meine Freundin als Medizinische Fachangestellte arbeitet, schickte sie mich natürlich sofort zum Hausarzt.
Das waren meine erste Symptome die mich wirklich beunruhigten und mich für eine kurze Zeit aus der Bahn geworfen haben. In so einer Phase warst du bestimmt auch schon mal und kannst es nachvollziehen, wie man sich zu diesem Zeitpunkt fühlt. In meinem nächsten Beitrag darfst du lesen wie die ersten Arztbesuche waren und wie es weiter ging.
Wie haben sich deine ersten Symptome bemerkbar gemacht? Wie bist du damit umgegangen?