Jetzt ist es also Realität. Wieder auf dem Weg ins Krankenhaus, ab zur nächsten Kortisoninfusion. Und das am Valentinstag. Ich konnte mir echt romantischere Ausflüge vorstellen.
Aber was soll’s, jammern hilft nicht. Krone richten und nach vorne schauen, das war das Motto.
Die Ärzte entschieden sich für eine „Eskalationstherapie“. Vier Tage lang eine 1000mg Kortisoninfusion. Immer morgens. Warum Kortison? Kortison soll nach einem MS-Schub helfen, die schubbedingten Entzündungen und somit dauerhafte Schädigungen des zentralen Nervensystems sowie Behinderungen einzudämmen. Zu dieser Zeit ging es mir wirklich nicht gut. Wortfindungsprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten, Blasenschwäche, Hautempfindlichkeit, Schwindel, Gleichgewichtsprobleme und eine taube linke Körperhälfte waren der Anlass für mich sofort mit der vorgeschlagenen Eskalationstherapie anzufangen. Ohne wirklich über Nebenwirkungen oder alternativen Therapien nachzudenken. Aber ganz ehrlich? Ich hatte zu dem Zeitpunkt genug mit der Diagnose und den Symptomen zu kämpfen und wirklich keinen Kopf mich zusätzlich mit irgendwelchen Therapien auseinderzusetzen. Außerdem sind ja meine behandelten Ärzte die Experten und nicht ich, wie ich es schon vor paar Wochen feststellen musste ;). Natürlich klärte mich die zuständige Neurologin über die Nebenwirkungen auf, doch die überhörte ich gekonnt. Nach der dritten Infusion bekam ich sie zu spüren. Ich fing an zu zittern und obwohl ich müde war, konnte ich einfach nicht schlafen. Das ging fast zwei Wochen so. Dazu raste mein Herz und Stimmungsschwankungen erschwerten meiner Freundin das Leben. Ebenso begleitete mich für zwei Wochen ein Metallgeschmack im Mund. Auch ich hatte anschließend nach den Infusionen Wassereinlagerungen im Körper und nahm auch an Gewicht zu. Angenehm war es definitiv nicht. Doch wo würde ich heute stehen wenn ich dieses Kortison damals nicht genommen hätte? Vielleicht würde es mir noch besser gehen als jetzt, vielleicht aber viel schlechter, vielleicht aber auch unverändert. Ich weiß es nicht. Ich kann Dir nicht sagen ob es der richtige weg für dich ist. Ich bitte dich nicht zu vergessen, dass ich kein Arzt bin! Ich erzähle nur meine eigene Geschichte und werde keine Empfehlungen zu Kortison oder sonstigen Tabletten aussprechen, da jeder Körper anders reagiert.
Doch zurück zum Thema. Nur mit der Eskalationstherapie ist es nicht getan. Ich musste mich auf Rat der Ärzte für eine Dauermedikation entscheiden. Ich bekam mehrer Vorschläge. Tabletten zur täglichen Einnahme, wöchentliche Spritze oder doch monatliche Infusionen. Für was entscheidet man sich da? Für mich war das ein unendlicher Dschungel. Wenn man dann noch zusätzlich die Nebenwirkungen aufgelistet sieht, vergeht die Hoffnung sich für das richtige zu entscheiden, ganz schnell. Ich nahm die Vorschläge der Ärztin mit nach Hause und hatte 24Stunden lang zeit mich zu entscheiden. Du kannst es dir denken – die nächste schlaflose Nacht stand bevor :D. Ich mach es aber kurz. Ich hörte auf mein Bauchgefühl. Ich entschied mich für das Präparat Tecfidera, da es für mich die „angenehmsten“ Nebenwirkungen zu haben schien. Tecfidera ist eine Tablette die ich morgens und abends einnehmen musste. Die erste Woche 2x 120mg. Die zweite Woche morgens 120mg und abends 240mg. Ab der dritten Woche dann jeweils 240mg. Zu den bekanntesten Nebenwirkung von Tecfidera sind die sogenannten „Flushs“. Bei einem Flush wird mein ganzer Körper rot wie eine Tomate und mein Gesicht brennt wie nach einem starken Sonnenbrand. Dauert ungefähr 45 Minuten lang. Doch alles besser als im Rollstuhl zu sitzen und all die MS-Symptome zu haben oder?
Um jedoch die MS in schach zu halten und die Ausfallerscheinungen lindern zu können, gehört viel mehr dazu als nur Tabletten einzunehmen.
Wie fühlt man sich in dieser Phase? Ich muss sagen, dass ich auf der einen Seite total genervt war von den ganzen Krankenhausbesuchen und den Nadeln, auf der anderen Seite war ich aber total glücklich dass mich meine Liebsten so unterstützt haben und ich gesehen hab, dass es Möglichkeiten gibt gegen die MS-Symptome anzukämpfen. Außerdem erden mich solche Aufenthalte im Krankenhaus sehr. Dort spürt man erst wirklich wie schlecht es anderen Menschen geht. Mir hat diese Phase sehr viel Mut gemacht und ich habe aus den Tagen im Krankenhaus viel lernen dürfen. Vor allem dankbar zu sein! Dankbar für Kleinigkeiten. Und, dass aufgeben niemals eine Option sein wird! 🙂
Wie ich mit den „Flushs“ zurecht komme und wie die ersten Schritte zurück ins Leben aussahen gibt es im nächsten Beitrag 🙂