Der Tag der Diagnose

Tag der Diagnose 3

Am frühen Morgen des 13.02.2017, also vier Tage nach meinem MRT , bekam ich einen Anruf von meinem Hausarzt , dass ich zur letzten Untersuchung in die Notfallambulanz nach Heidelberg fahren sollte.

Ich hatte gar keinen Bock. Warum sollte ich da jetzt wieder stundenlang warten? Die Bilder sind eindeutig. Es ist MS. Was wollen die Ärzte jetzt in der Ambulanz mit mir machen? An diesem frühen Morgen war ich, um es nett auszudrücken, nicht ganz so gut gelaunt. Ich hatte aber gar keine andere Wahl als in die Ambulanz zu fahren.

Doch bevor ich über meine Erfahrungen in der Ambulanz berichte, will ich dich an meinen Gefühlen teilhaben lassen, die sich in den vier Tagen zwischen dem MRT und der Diagnose in mir breit machten. Wenn du dich erinnerst, befand ich mich in einem freien Fall. Ich sagte noch an diesem Tag alle meine Geschäftstermine für die laufende Woche ab. Es war plötzlich alles egal. Das schreibe ich nicht nur so, es war wirklich so. Mir war zum ersten Mal in meinem Leben wirklich egal, was die Menschen denen ich jetzt die Termine absage, von mir denken. Doch wie in meinem letzten Beitrag beschrieben, war das für mich der Startschuss für ein anderes, neues aber vor allem bewussteres Leben. In diesen vier Tagen ist mir zum Glück wieder bewusst geworden, wie verdammt kostbar die Gesundheit ist und ich nichts für selbstverständlich halten darf.

Alleine duschen, Auto fahren, ohne stottern zu sprechen , seine Eltern zu sehen, klare Gedanken zu haben, sich mit Freunden zu treffen, lachen zu können, sich ohne Hilfe fortbewegen zu können und noch tausend andere Dinge.

Das sind doch alles Dinge die selbstverständlich sind oder? Nein. Leider nicht. Deswegen war klar, dass ich in Zukunft für alles was ich erlebe, egal wie klein die Dinge auch scheinen, dankbar sein werde. Und ich alles dafür tun werde, mit sehr viel Lebensfreude diese MS zu bekämpfen. In den vier Tagen, las ich ganz viel in meinem Dankbarkeitsbuch und schrieb mir neue persönliche Ziele auf, die ich in den nächsten Jahren erreichen möchte. Doch dazu bald mehr.

Zurück zu meinem Aufenthalt in der Ambulanz. Dieser typische Krankenhausgeruch, die routinemäßigen Untersuchungen. Ich hätte echt kotzen können. Doch dann kam noch das Highlight. Die Dame die mit mir die Untersuchung durchgeführt hatte, hatte wahrscheinlich einen sehr schlechten Tag. Sie unterstellte mir, dass ich gerade schauspielern würde und meine Symptome nicht mit meinen Bildern übereinstimmen würden. Meine Freundin, die mich begleitete, und ich, waren erstmal total geschockt und sprachlos. Und das passiert echt nicht oft. Ich wollte sie am liebsten erwürgen, doch meine linke taube Seite, ließ es nicht zu ;). Doch dies war noch nicht genug. Beim verlassen des Zimmers, drehte sich der Assistenzarzt um und fragte mich mit ernster Miene ob ich eine Lebensversicherung habe, denn das würde mir sehr helfen, wenn sich der Verdacht heute bestätigen würde. HÄÄÄÄÄÄ???? Ich dachte echt ich bin in einem falschen Film. Bis dato, hatte ich noch nie einen Menschen mit so wenig Sozialkompetenz kennengelernt. Ich sag es dir, in so einem Krankenhaus passieren die unglaublichsten Geschichten. Nachdem sie dann das Zimmer verließen, durfte ich nochmal für eine Stunde ins Wartezimmer. In dieser Stunde spielten wir verschiedene Szenarien durch, wie wir die Dame und den Assistenzarzt konfrontieren könnten. Doch als wir reingerufen wurden, war auf einmal alles anders. Die Dame war plötzlich total nett und zuvorkommend. Der Assistenzarzt war zum Glück nicht mehr dabei. Da ich in diesem Moment einfach nur wissen wollte, welcher der nächste Schritt ist, überwarf ich unseren Plan und ließ sie, mich aufklären.

Der nächste Schritt war eine sofortige Lumbalpunktion ohne Betäubung. Hörte sich im ersten Moment gar nicht so schlimm für mich an, ich wollte ja einfach nur, dass ich möglichst schnell wieder nach Hause kann. Heute kann ich euch nur einen Tipp geben. Niemals eine Lumbalpunktion ohne Betäubung. Die Lumbalpunktion ist die Nervenwasserentnahme aus dem Rückenmarkskanal, die notwendig ist zur sicheren Diagnosestellung bei MS. Es führte leider kein Weg an der Punktion vorbei.

Meine Freundin wurde aus dem Zimmer herausgebeten, mit der Begründung dass zu viele Angehörige beim Anblick der Punktion in Ohnmacht gefallen seien. So langsam wurde mir echt bange. Aber es gab kein zurück mehr. Ich saß nun mit gekrümmten Rücken auf dem Patientenbett, zog die Beine und Arme an und legte das Kinn auf die Brust. Dann stach die Ärztin mit einer Nadel durch meine Haut und Muskulatur und schob die Nadel zwischen meinen Wirbelkörper in den Rückenmarkskanal hinein. Diesen Schmerz den ich in dem Moment empfand, kann ich wirklich nicht beschreiben. Ich dachte ich sterbe vor Schmerzen. Durch die Nadel tropfte nun die Flüssigkeit in ein Probegefäß. Für mich fühlte es sich unendlich lang an. Mein ganzer Körper war einfach nur nass. Nass vom eigenen Schweiß. Als dann nach gefühlt tausenden Minuten genug Nervenwasser entnommen wurde, zog die Ärzten die Nadel langsam raus. Für mich war das bis jetzt , auch nach allen Knie OP´s , die schmerzhafteste Krankenhaus Erfahrung. Schweißgebadet legte ich mich auf das Bett und ließ mich in einen anderen Raum fahren. Ich wusste gar nicht warum und weshalb, doch das war der Beginn meiner Therapie. Zum einen musste ich mindestens eine Stunde zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, zum anderen fingen die Ärzte mit einer Eskalationstherapie an. Ich bekam sofort eine Kortisoninfusion um gegen die Entzündungen im Kopf und gegen meine Symptome anzukämpfen. Mein erster Gedanke war nur: Ahja, wenn es hilft, dann machen wir das halt. Zu dem Zeitpunkt wollte ich mich mit Medikamenten gar nicht auseinandersetzen. Ich wurde aber mehr oder weniger dazu gezwungen. Spätestens ab dem Zeitpunkt war meiner Familie und mir bewusst, dass es wirklich eine chronische unheilbare Krankheit ist. Und somit begann am 13.02.2017 mein medizinischer Kampf gegen die MS.

Doch die MS wird uns so schnell nicht in die Knie zwingen. Das war sofort klar!

In meinem nächsten Beitrag, werde ich über meine erste Therapie und meine Medikamentenwahl berichten :).

Wie war dein Tag der Diagnose? Ich freue mich über deine Offenheit und deine Geschichte 🙂

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